Monday, July 7, 2025

Werkstoffauswahl im 3D-Druck für mechanisch belastete Bauteile im Maschinenbau

 Die Wahl des richtigen Werkstoffs ist ein entscheidender Erfolgsfaktor beim 3D-Druck von Bauteilen im Maschinenbau. Mechanische Beanspruchung, Temperaturbeständigkeit, chemische Resistenz und Verarbeitbarkeit müssen dabei optimal aufeinander abgestimmt sein. In diesem Beitrag analysieren wir, welche 3D-Druckmaterialien sich für hochbelastete Anwendungen eignen, wie man zwischen Kunststoff, Metall und Verbundwerkstoffen wählt – und was bei der Konstruktion und Prozessplanung zusätzlich zu beachten ist.

Anforderungen an Werkstoffe im Maschinenbau

Maschinenbauteile müssen je nach Anwendung folgende Eigenschaften mitbringen:

  • Hohe Festigkeit und Steifigkeit

  • Gute Dauerfestigkeit bei zyklischer Belastung

  • Temperatur- und Chemikalienbeständigkeit

  • Form- und Maßhaltigkeit

  • Bearbeitbarkeit (z. B. Gewinde, Fräsen, Bohren)

  • Geringes Gewicht bei hoher Performance

Diese Anforderungen unterscheiden sich je nach Einsatzbereich – von der Leichtbau-Halterung bis zur Druckkammerdichtung.

Überblick über relevante 3D-Druckmaterialien

Hier die wichtigsten Werkstoffgruppen im Überblick:

WerkstoffgruppeTypische VertreterEigenschaften
Kunststoffe (thermoplastisch)PA12, ABS, PETG, PC, PPSGut verarbeitbar, leicht, günstiger, begrenzte Festigkeit
Verstärkte KunststoffeCF- oder GF-verstärkte PA/PEEKHöhere Steifigkeit und Festigkeit, anisotrop
ElastomereTPU, TPEFlexibel, stoßdämpfend, begrenzte Belastbarkeit
Photopolymere (SLA/DLP)Tough Resin, High Temp ResinSehr fein, spröder, nicht für Dauerbelastung
Metalle (Pulverbett oder DED)AlSi10Mg, 316L, Ti6Al4V, InconelHohe Festigkeit, temperaturbeständig, teuer
VerbundwerkstoffeCarbon-Fiber-Inlay, Multi-MaterialSpezifisch angepasst, oft beste Performance

Die Auswahl erfolgt nicht nur nach technischen Kriterien, sondern auch nach Kosten, Drucktechnik und Nachbearbeitungsaufwand.

Werkstoffe für strukturell belastete Kunststoffbauteile

Im Kunststoffbereich gibt es einige Favoriten für belastbare Bauteile:

PA12 (Nylon) – Klassiker für SLS und MJF

  • Hohe Zähigkeit, gute Schlagfestigkeit

  • Leicht, gute Maßhaltigkeit

  • Temperaturbeständig bis ~130 °C

  • Einsatz z. B. bei Funktionsteilen, Zahnrädern, Gehäusen

PETG – für FDM mit guter Balance

  • Besser als PLA, stabiler als ABS

  • Gute UV- und Chemikalienbeständigkeit

  • Bis ca. 70–80 °C einsetzbar

  • Für Funktionsprototypen geeignet

PC (Polycarbonat) – hitzebeständig und hart

  • Temperaturbeständig bis 115–130 °C

  • Gute Schlagzähigkeit

  • Benötigt geheizte Druckkammer

  • Ideal für Maschinenbauteile im FDM

Verstärkte Kunststoffe für höchste Ansprüche

Wenn reine Thermoplaste nicht ausreichen:

PA12-CF oder PA6-CF

  • Mit Kohlefaser gefüllt – extrem steif

  • Eignen sich für Halterungen, Brackets, Hebel

  • Geringeres Gewicht als Aluminium

  • Aber: Richtung der Fasern beachten!

PEEK / PEKK mit CF oder GF (Glasfaser)

  • Hochtemperaturfähige Kunststoffe für Luftfahrt und Medizintechnik

  • Mechanisch fast metallähnlich

  • Verarbeitung extrem anspruchsvoll

Ein besonders wichtiger Aspekt: Diese Materialien zeigen anisotropes Verhalten – d. h. ihre Eigenschaften hängen stark von der Druckrichtung ab.

Metalle für hochbelastete Komponenten

Für kritische Komponenten kommen additive Metallwerkstoffe infrage:

AlSi10Mg (Aluminium-Legierung)

  • Leicht, gute Wärmeleitfähigkeit

  • Für Gehäuse, Kühlkörper, Leichtbaustrukturen

  • SLM oder DED notwendig

316L (Edelstahl)

  • Korrosionsbeständig, zäh

  • Für Ventilkörper, Adapter, medizinische Anwendungen

  • Gut zerspanbar

Ti6Al4V (Titan)

  • Höchstes Festigkeits-Gewichts-Verhältnis

  • Korrosions- und temperaturbeständig

  • Teuer, aber unschlagbar in der Leistung

Inconel 718 / 625

  • Superlegierungen für extreme Temperaturen

  • Turbinen, Abgasanlagen, Ofenkomponenten

Diese Metalle ermöglichen echte Funktionsbauteile in Serie, wie sie im modernen Maschinenbau mit 3D-Druck zunehmend Anwendung finden.

Werkstoffwahl nach Anwendungskategorie

Zur besseren Orientierung hier ein Vergleich nach Anwendungsfeldern:

AnwendungEmpfohlene Werkstoffe
Gehäuse, HalterungenPA12, PETG, PC, PA12-CF
Lager, bewegliche TeilePA, TPU, CF-verstärkt
Fluidführung, KanäleSLA Tough Resin, ABS, PC
Dichtungen, KupplungenTPU, TPE
Strukturteile, HebelPA-CF, Aluminium, Titan
Hochtemperatur-AnwendungenPEEK, Inconel, PC
Medizin/FeingerätebauSLA Dental, 316L, Ti6Al4V

Praktische Tipps für die Werkstoffauswahl

  • Drucktechnik berücksichtigen: Nicht jeder Werkstoff passt zu jeder Technik

  • Materialdatenblätter prüfen: Festigkeit, Shore-Härte, E-Modul vergleichen

  • Temperatur- und Chemikalienbeständigkeit testen

  • Kleinstmengen ausprobieren: Viele Hersteller bieten Musterkits

  • Nachbearbeitbarkeit nicht vergessen: Bohren, Fräsen, Lackieren etc.

Zudem sollten mechanische Tests (siehe vorheriger Artikel) die Eignung in der Praxis validieren.

Zunehmende Bedeutung von Multi-Material-Druck

Zukunftstrend: Multi-Material-Bauteile mit gezielten Eigenschaften in verschiedenen Zonen:

  • Harte und flexible Bereiche kombiniert

  • Innere Verstärkungen aus CF, äußere Hülle weich

  • Elektrisch leitende + isolierende Materialien in einem Druck

Diese Technologie eröffnet neue Designfreiheiten – ist aber noch stark abhängig von Drucksystemen und Software.

Fazit

Die Werkstoffauswahl im 3D-Druck für mechanische Anwendungen im Maschinenbau ist komplex, aber entscheidend. Sie beeinflusst nicht nur die Funktion und Sicherheit, sondern auch Druckbarkeit, Nachbearbeitung und Lebensdauer. Durch den gezielten Einsatz geeigneter Kunststoffe, Metalllegierungen oder Verbundwerkstoffe lassen sich heute hochbelastbare Komponenten realisieren, die mit konventionellen Methoden kaum wirtschaftlich herstellbar wären.

No comments:

Post a Comment

Additive Reparatur im Maschinenbau: 3D-Druck als nachhaltige Lösung für beschädigte Bauteile

 In der industriellen Instandhaltung spielt die Wiederverwendung beschädigter oder verschlissener Komponenten eine zunehmend wichtige Rolle ...