Monday, July 7, 2025

Belastungstests für 3D-gedruckte Bauteile: So prüfen Sie Festigkeit und Funktion im Maschinenbau

 Im Maschinenbau müssen Bauteile unter verschiedensten mechanischen, thermischen und dynamischen Bedingungen zuverlässig funktionieren. Das gilt auch – oder gerade – für additiv gefertigte Komponenten. Um die Sicherheit, Belastbarkeit und Einsatzfähigkeit von 3D-gedruckten Teilen zu gewährleisten, sind gezielte Belastungstests unerlässlich.

In diesem Beitrag zeigen wir praxisnah, wie Belastungstests für 3D-gedruckte Bauteile durchgeführt werden, welche Prüfkriterien gelten, welche Normen berücksichtigt werden sollten – und worauf speziell bei additiven Werkstoffen und Strukturen zu achten ist.

Warum sind Belastungstests bei 3D-Druckteilen besonders wichtig?

Additiv gefertigte Bauteile unterscheiden sich in ihrer Materialstruktur und Belastungsverhalten fundamental von konventionell hergestellten Teilen:

  • Anisotropie durch schichtweises Aufbauen

  • Porositäten und Mikrorisse, insbesondere bei Pulverbettverfahren

  • Verfahrensbedingte Unterschiede in Oberflächenqualität, Dichte und Festigkeit

  • Abhängigkeit von Druckparametern (Temperatur, Geschwindigkeit, Schichthöhe etc.)

Das bedeutet: Materialdaten aus Datenblättern reichen nicht aus. Für funktionale Anwendungen im Maschinenbau müssen reale Tests durchgeführt werden – oft mit dem gedruckten Endbauteil selbst.

Ziele und Arten von Belastungstests

Belastungstests verfolgen je nach Anwendung unterschiedliche Ziele:

TestzielTypische Verfahren
Mechanische FestigkeitZug-, Druck-, Biege- und Torsionsprüfung
Dynamik & ErmüdungDauerschwingversuch, Wöhlerkurve
WärmeverhaltenHeißlager-, Kaltlager- und Wechseltests
MedienbeständigkeitChemikalien-, Öl-, Kühlmittelresistenz
MontagefähigkeitEinpressversuche, Passungsprüfungen
Geometrieprüfung3D-Scan, Messmaschine, CT-Analyse

Insbesondere für sicherheitsrelevante Bauteile sind Validierungstests im Realbetrieb oder an Prüfständen unverzichtbar.

Mechanische Tests im Detail

1. Zugversuch (DIN EN ISO 527, ASTM D638)

  • Besonders wichtig für FDM, SLS und SLA-Teile aus Kunststoff

  • Prüfparameter:

    • Zugfestigkeit

    • Elastizitätsmodul

    • Bruchdehnung

  • Hinweise:

    • Probe in unterschiedlichen Druckrichtungen drucken (X, Y, Z-Achse)

    • Auch bei isotropem Material zeigen sich richtungsabhängige Werte

2. Biegeversuch (DIN EN ISO 178)

  • Aussage über Steifigkeit und Duktilität

  • Häufig verwendet bei Gehäusen, Abdeckungen, Halterungen

  • Dreipunktbiegeprüfung besonders praxisnah

3. Druck- und Scherprüfung

  • Relevant für Flächenpressungen oder Klemmbelastungen

  • Auch für mechanische Vorrichtungen wie Spannbacken, Buchsenhalter oder Aufnahmen

  • Wichtig: Prüffläche planfräsen bei FDM-Teilen zur gleichmäßigen Lastverteilung

4. Torsionsprüfung

  • Besonders bei rotierenden Bauteilen wie Kupplungen, Wellen, Verbindern

  • Beurteilung der Torsionssteifigkeit und Drehmomentaufnahme

  • Additiv gefertigte Teile neigen bei zu dünnen Wandstärken zu Scherung

Prüfstrategien für verschiedene Druckverfahren

Jedes 3D-Druckverfahren bringt spezifische Eigenheiten mit sich, die bei Belastungstests berücksichtigt werden müssen:

VerfahrenTestbesonderheiten
FDM/FFFAusrichtung der Layer beeinflusst Festigkeit stark
SLS/MJFRelativ isotrop, aber teilweise porös
SLA/DLPSehr hohe Genauigkeit, aber sprödes Bruchverhalten
SLM/DEDHohe Festigkeit, aber Risse durch Eigenspannungen möglich

Die Ausrichtung des Bauteils im Bauraum während des Drucks sollte in den Tests dokumentiert werden – sie hat entscheidenden Einfluss auf die Ergebnisse.

Prüfnormen und Standards

Im Maschinenbau kommen je nach Testziel folgende Normen zur Anwendung:

  • DIN EN ISO 527 – Zugversuch für Kunststoffe

  • DIN EN ISO 178 – Biegeversuch für Kunststoffe

  • DIN EN ISO 604 – Druckprüfung für Kunststoffe

  • DIN 50100 / ISO 1099 – Wöhlerkurven für Dauerfestigkeit

  • DIN EN ISO 6506 / 6507 – Härteprüfung (Brinell, Vickers)

  • DIN 55350 – Prüfmittelüberwachung und Dokumentation

Wichtig: Für additiv gefertigte Teile gelten teilweise angepasste Prüfverfahren – insbesondere, wenn Geometrien, Druckrichtungen oder Nachbearbeitung eine Rolle spielen.

Belastungstests in der Praxis: Beispielhafte Anwendung

Fallbeispiel: Flanschadapter aus SLM-Aluminium

Ein Flanschadapter soll in einer Hydraulikanwendung getestet werden. Vorgehen:

  1. Vorabprüfung mit FEM zur Simulation kritischer Lastzonen

  2. Torsionsbelastung mit 1,5-fachem Betriebsdrehmoment

  3. Druckbelastung in axialer Richtung bei 120 % Betriebsdruck

  4. Dichtigkeitsprüfung nach Thermo-Zyklen von -20 °C bis +80 °C

  5. Dokumentation der Testergebnisse im QMS-System

Das Resultat: Der 3D-gedruckte Adapter besteht alle Tests ohne sichtbare oder mikroskopische Risse. Das Bauteil kann in Kleinserie eingesetzt werden – als Teil einer umfassenden Lösung, wie sie auch in unserem Hauptartikel über 3D-Druck im Maschinenbau vorgestellt wird.

Belastungstest vs. Simulation: Was ist besser?

Numerische Simulation (z. B. FEM) und physikalische Belastungstests sollten sich nicht gegenseitig ersetzen, sondern ergänzen:

SimulationBelastungstest
Frühe Einschätzung im DesignRealitätsnahe Prüfung unter Praxis
Mehrere Varianten schnell testbarReale Druckparameter berücksichtigt
Kostengünstig bei hoher AnzahlEinmalige Validierung notwendig

Vor allem bei neuen Bauteilen, kritischen Anwendungen oder unbekannten Druckparametern sollte der reale Belastungstest nicht entfallen.

Dokumentation und Rückverfolgbarkeit

Jeder Belastungstest sollte nachvollziehbar dokumentiert werden – insbesondere bei:

  • Qualitätsprüfung in Serienfertigung

  • CE-konformer Produktentwicklung

  • Reklamationen oder Schadensfällen

Wichtige Inhalte der Dokumentation:

  • Druckparameter (z. B. Layerhöhe, Temperatur, Materialcharge)

  • Bauraumposition im Drucker

  • Nachbearbeitung (z. B. Glühen, Fräsen, Schleifen)

  • Testmethodik und Prüfkraftverläufe

  • Ergebnisse und Grenzwertbewertung

Fazit

Belastungstests sind im Maschinenbau unverzichtbar – insbesondere bei additiv gefertigten Bauteilen. Denn nur durch gezielte Prüfungen lassen sich Festigkeit, Lebensdauer und Sicherheit zuverlässig nachweisen.

Mit der richtigen Kombination aus Simulation, mechanischer Prüfung und Dokumentation können Unternehmen 3D-gedruckte Komponenten gezielt in funktionsrelevanten Bereichen einsetzen – und das sicher, effizient und reproduzierbar. So wird 3D-Druck im Maschinenbau nicht nur zur Spielerei, sondern zur echten Fertigungstechnologie auf Industriestandard.

No comments:

Post a Comment

Additive Reparatur im Maschinenbau: 3D-Druck als nachhaltige Lösung für beschädigte Bauteile

 In der industriellen Instandhaltung spielt die Wiederverwendung beschädigter oder verschlissener Komponenten eine zunehmend wichtige Rolle ...