Im Maschinenbau müssen Bauteile unter verschiedensten mechanischen, thermischen und dynamischen Bedingungen zuverlässig funktionieren. Das gilt auch – oder gerade – für additiv gefertigte Komponenten. Um die Sicherheit, Belastbarkeit und Einsatzfähigkeit von 3D-gedruckten Teilen zu gewährleisten, sind gezielte Belastungstests unerlässlich.
In diesem Beitrag zeigen wir praxisnah, wie Belastungstests für 3D-gedruckte Bauteile durchgeführt werden, welche Prüfkriterien gelten, welche Normen berücksichtigt werden sollten – und worauf speziell bei additiven Werkstoffen und Strukturen zu achten ist.
Warum sind Belastungstests bei 3D-Druckteilen besonders wichtig?
Additiv gefertigte Bauteile unterscheiden sich in ihrer Materialstruktur und Belastungsverhalten fundamental von konventionell hergestellten Teilen:
-
Anisotropie durch schichtweises Aufbauen
-
Porositäten und Mikrorisse, insbesondere bei Pulverbettverfahren
-
Verfahrensbedingte Unterschiede in Oberflächenqualität, Dichte und Festigkeit
-
Abhängigkeit von Druckparametern (Temperatur, Geschwindigkeit, Schichthöhe etc.)
Das bedeutet: Materialdaten aus Datenblättern reichen nicht aus. Für funktionale Anwendungen im Maschinenbau müssen reale Tests durchgeführt werden – oft mit dem gedruckten Endbauteil selbst.
Ziele und Arten von Belastungstests
Belastungstests verfolgen je nach Anwendung unterschiedliche Ziele:
Testziel | Typische Verfahren |
---|---|
Mechanische Festigkeit | Zug-, Druck-, Biege- und Torsionsprüfung |
Dynamik & Ermüdung | Dauerschwingversuch, Wöhlerkurve |
Wärmeverhalten | Heißlager-, Kaltlager- und Wechseltests |
Medienbeständigkeit | Chemikalien-, Öl-, Kühlmittelresistenz |
Montagefähigkeit | Einpressversuche, Passungsprüfungen |
Geometrieprüfung | 3D-Scan, Messmaschine, CT-Analyse |
Insbesondere für sicherheitsrelevante Bauteile sind Validierungstests im Realbetrieb oder an Prüfständen unverzichtbar.
Mechanische Tests im Detail
1. Zugversuch (DIN EN ISO 527, ASTM D638)
-
Besonders wichtig für FDM, SLS und SLA-Teile aus Kunststoff
-
Prüfparameter:
-
Zugfestigkeit
-
Elastizitätsmodul
-
Bruchdehnung
-
-
Hinweise:
-
Probe in unterschiedlichen Druckrichtungen drucken (X, Y, Z-Achse)
-
Auch bei isotropem Material zeigen sich richtungsabhängige Werte
-
2. Biegeversuch (DIN EN ISO 178)
-
Aussage über Steifigkeit und Duktilität
-
Häufig verwendet bei Gehäusen, Abdeckungen, Halterungen
-
Dreipunktbiegeprüfung besonders praxisnah
3. Druck- und Scherprüfung
-
Relevant für Flächenpressungen oder Klemmbelastungen
-
Auch für mechanische Vorrichtungen wie Spannbacken, Buchsenhalter oder Aufnahmen
-
Wichtig: Prüffläche planfräsen bei FDM-Teilen zur gleichmäßigen Lastverteilung
4. Torsionsprüfung
-
Besonders bei rotierenden Bauteilen wie Kupplungen, Wellen, Verbindern
-
Beurteilung der Torsionssteifigkeit und Drehmomentaufnahme
-
Additiv gefertigte Teile neigen bei zu dünnen Wandstärken zu Scherung
Prüfstrategien für verschiedene Druckverfahren
Jedes 3D-Druckverfahren bringt spezifische Eigenheiten mit sich, die bei Belastungstests berücksichtigt werden müssen:
Verfahren | Testbesonderheiten |
---|---|
FDM/FFF | Ausrichtung der Layer beeinflusst Festigkeit stark |
SLS/MJF | Relativ isotrop, aber teilweise porös |
SLA/DLP | Sehr hohe Genauigkeit, aber sprödes Bruchverhalten |
SLM/DED | Hohe Festigkeit, aber Risse durch Eigenspannungen möglich |
Die Ausrichtung des Bauteils im Bauraum während des Drucks sollte in den Tests dokumentiert werden – sie hat entscheidenden Einfluss auf die Ergebnisse.
Prüfnormen und Standards
Im Maschinenbau kommen je nach Testziel folgende Normen zur Anwendung:
-
DIN EN ISO 527 – Zugversuch für Kunststoffe
-
DIN EN ISO 178 – Biegeversuch für Kunststoffe
-
DIN EN ISO 604 – Druckprüfung für Kunststoffe
-
DIN 50100 / ISO 1099 – Wöhlerkurven für Dauerfestigkeit
-
DIN EN ISO 6506 / 6507 – Härteprüfung (Brinell, Vickers)
-
DIN 55350 – Prüfmittelüberwachung und Dokumentation
Wichtig: Für additiv gefertigte Teile gelten teilweise angepasste Prüfverfahren – insbesondere, wenn Geometrien, Druckrichtungen oder Nachbearbeitung eine Rolle spielen.
Belastungstests in der Praxis: Beispielhafte Anwendung
Fallbeispiel: Flanschadapter aus SLM-Aluminium
Ein Flanschadapter soll in einer Hydraulikanwendung getestet werden. Vorgehen:
-
Vorabprüfung mit FEM zur Simulation kritischer Lastzonen
-
Torsionsbelastung mit 1,5-fachem Betriebsdrehmoment
-
Druckbelastung in axialer Richtung bei 120 % Betriebsdruck
-
Dichtigkeitsprüfung nach Thermo-Zyklen von -20 °C bis +80 °C
-
Dokumentation der Testergebnisse im QMS-System
Das Resultat: Der 3D-gedruckte Adapter besteht alle Tests ohne sichtbare oder mikroskopische Risse. Das Bauteil kann in Kleinserie eingesetzt werden – als Teil einer umfassenden Lösung, wie sie auch in unserem Hauptartikel über 3D-Druck im Maschinenbau vorgestellt wird.
Belastungstest vs. Simulation: Was ist besser?
Numerische Simulation (z. B. FEM) und physikalische Belastungstests sollten sich nicht gegenseitig ersetzen, sondern ergänzen:
Simulation | Belastungstest |
---|---|
Frühe Einschätzung im Design | Realitätsnahe Prüfung unter Praxis |
Mehrere Varianten schnell testbar | Reale Druckparameter berücksichtigt |
Kostengünstig bei hoher Anzahl | Einmalige Validierung notwendig |
Vor allem bei neuen Bauteilen, kritischen Anwendungen oder unbekannten Druckparametern sollte der reale Belastungstest nicht entfallen.
Dokumentation und Rückverfolgbarkeit
Jeder Belastungstest sollte nachvollziehbar dokumentiert werden – insbesondere bei:
-
Qualitätsprüfung in Serienfertigung
-
CE-konformer Produktentwicklung
-
Reklamationen oder Schadensfällen
Wichtige Inhalte der Dokumentation:
-
Druckparameter (z. B. Layerhöhe, Temperatur, Materialcharge)
-
Bauraumposition im Drucker
-
Nachbearbeitung (z. B. Glühen, Fräsen, Schleifen)
-
Testmethodik und Prüfkraftverläufe
-
Ergebnisse und Grenzwertbewertung
Fazit
Belastungstests sind im Maschinenbau unverzichtbar – insbesondere bei additiv gefertigten Bauteilen. Denn nur durch gezielte Prüfungen lassen sich Festigkeit, Lebensdauer und Sicherheit zuverlässig nachweisen.
Mit der richtigen Kombination aus Simulation, mechanischer Prüfung und Dokumentation können Unternehmen 3D-gedruckte Komponenten gezielt in funktionsrelevanten Bereichen einsetzen – und das sicher, effizient und reproduzierbar. So wird 3D-Druck im Maschinenbau nicht nur zur Spielerei, sondern zur echten Fertigungstechnologie auf Industriestandard.
No comments:
Post a Comment